Müller-Dietz
Prof. Dr. Dr. h.c. Heinz Müller-Dietz
*Leider muss der Vortrag von Herrn Prof. Müller-Dietz entfallen*
Vita: Geb. 1931 in Bretten (Krs. Karlsruhe), 1961-1966 Tätigkeit im Strafvollzug, 1965 Promotion, 1966 Habilitation, 1966-1969 Lehrtätigkeit an verschiedenen Universitäten, 1969-1997 o. Prof. (Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafvollzug u. Kriminologie) an der Univ. des Saarlandes, 1997 Emeritierung.
Publikationen (Auswahl): Grenzen des Schuldgedankens im Strafrecht (1967), Das Leben des Rechtslehrers und Politikers Karl Theodor Welcker (1968), Strafvollzugsgesetzgebung und Strafvollzugsreform (1970), Strafvollzug und Gesellschaft (1970), Empirische Forschung und Strafvollzug (1976), Grenzüberschreitungen. Beiträge zur Beziehung zwischen Literatur und Recht (1990), Menschenwürde und Strafvollzug (1994), Recht und Kriminalität im literarischen Widerschein (1999), Recht und Nationalsozialismus (2000), Recht und Kriminalität in literarischen Spiegelungen (2007), Kurzkommentar z. StVollzG, 11. Aufl. 2008.
Literarische Texte: ALLES WAS RECHT IST (1983), Recht sprechen & rechtsprechen (1986).
(Jetzige) Forschungsschwerpunkte: Literatur und Recht, Strafvollzug.
Literarische Verarbeitung von Recht in Gegenwartsromanen [Abstract]
Mein Beitrag setzt mit einem kurzen Vorspann ein, der über inhaltliche Schwerpunkte von Gegenwartsromanen informiert. Es folgt ein Überblick über Rechtsfragen, die in mehr oder minder starkem Maße in diesen Werken thematisiert werden. Dabei wird auch auf jene Autoren hingewiesen, die sich, obgleich Juristen, in literarischer Hinsicht großenteils einen Namen gemacht haben. Danach werden drei Romane vorgestellt, die sich - unabhängig vom Beruf des Autors und der literarischen Bewertung ihres Werkes - durch besondere Nähe zu Rechtsproblemen und deren inhaltliche Gewichtung - auszeichnen. Die Auswahl - die natürlich subjektiven Charakter hat - ist auch im Hinblick auf die zeitgeschichtliche Bedeutung des Werkes getroffen worden. Der Roman „Die Schlinge“ (1991) von Rolf Henrich thematisiert Aspekte des Versuchs einer Aufarbeitung von Staatsunrecht der DDR. Er tangiert sowohl strafrechtliche Probleme (z.B. Rückwirkungsverbot) als auch rechtsphilosophische (z.B. sog. „Radbruchsche Formel“). Der Roman „Finks Krieg“ (1996) von Martin Walser rückt die Problematik von Rechtsbehauptung und -durchsetzung im Rechtsstaat ins Zentrum der Darstellung. Er nimmt damit unter gänzlich andersgearteten verfassungsrechtlichen und historischen Verhältnissen sowie literarischen Vorzeichen den Faden auf, den Kleist in seiner genialen Charakterisierung des „Michael Kohlhaas“ ausgesponnen hat. Der Roman „Landgericht“ von Ursula Krechel dokumentiert am Beispiel eines Richters die wachsende Ausgrenzung und Entrechtung von Juden im NS-Staat, die den Protagonisten schließlich um des Überlebens willen zur Emigration zwingen. Das Werk thematisiert ferner die Probleme der Wiedergutmachung (Wiedereinsetzung ins Richteramt, Entschädigung für erlittene Verluste), denen der Rückkehrer, nicht Heimkehrer, von 1948 an konfrontiert wird. Mein Beitrag schließt mit einem (vorläufigen) Resümee, das dem bemerkenswerten Interesse von Autoren an der literarischen Herausarbeitung grundsätzlicher Rechtsfragen gilt. An ihren Romanen ist die Bedeutung von Recht für die Entfaltung individueller Freiheit im demokratisch verfassten Rechtsstaat abzulesen.