Intern
    Professur für neuere deutsche Literaturgeschichte

    Musik und Bühne in der Zeit der Aufklärung. Untersuchungen auf der Grundlage der Gothaer Theaterzettel.

    Laufzeit 2024–2027

    Förderinstitution: Deutsche Forschungsgemeinschaft

    Beantragung und Projektleitung: apl.Prof. Dr. Irmgard Scheitler

    Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Anna Lahusen

    Das Projekt untersucht die Rolle von Musik im Theater anhand der Gothaer Theaterzettelsammlung (1759-1771), die seit mehr als 100 Jahren keine Beachtung mehr gefunden hat. Sie repräsentiert die Tätigkeit der Truppen Koch, Ackermann, Seyler sowie des Hamburger Nationaltheaters. Die Forschung hat zur Schauspielmusik des 18. Jahrhunderts vor 1770 äußert mangelhafte Kenntnisse. Im Grunde sind nur drei Musiken dem Namen nach bekannt, alle aus der Zeit der Hamburgischen Entreprise. Aufgrund der Angaben der Theaterprogramme erschließt sich hingegen das Repertoire. Aus diesem ergeben sich Einsichten in die eingesetzte Musik durch Nebentexte und Liedeinlagen. In seltenen Fällen bieten auch die Zettel selbst Hinweise. Äußerst hilfreich sind der über die Programme hinausgehende weitere Ekhof-Nachlass sowie die Bestände der Hamburger SUB samt der dort aufbewahrten Theater-Bibliothek des Hamburger Stadttheaters. Weitere Spieltexte, aber auch Noten kommen hier zutage. Sie lassen sich darüber hinaus in regionalen Bibliotheks- und Archivbeständen oder als Beilagen zu Zeitschriften finden.

    Das Projekt will alle Aufführungen, d.h. neben den Schauspielen auch die bislang gar nicht beachteten Supplemente, vornehmlich Ballets, berücksichtigen. Dadurch ergeben sich völlig neue Perspektiven, nicht zuletzt für das Geschehen im Hamburger Nationaltheater. Was dieses anbelangt, so konzentriert sich die Forschung auf Lessings theoretische Reflexion über die Wirkmöglichkeiten von Musik im Schauspiel und seine Beschreibung einer Rahmenmusik zu einer Tragödie. Die Kenntnis der tatsächlich gehörten Musik in all ihrer Vielfalt – auch in den von der Entreprise eifrig gegebenen Ballets – rückt diese Reflexionen in ein anderes Licht. Auch zeigt sich der große Einfluss der französischen Bühne mit ihren Final-Vaudevilles und ihrer Opéra comique für gesamte Periode.

    Aufgabe und Ziel des Projekts ist es zudem, die praktischen Bedingungen und die sozialhistorischen Aspekte zu beleuchten: die Ausbildung und soziale Stellung der Schauspieler, ihre Befähigung zum Gesang, die Besetzung des Orchesters, den Auftritt beigezogener Kräfte, die Beziehung der Truppen untereinander. Um die Mitte des Jahrhunderts stand bei der zeitgenössischen Kritik allein die Kunst des Wortes und seiner schauspielerischen Umsetzung im Zentrum. Erklärtes Ziel der Theaterreformer war die Hebung der Sittlichkeit. Musik fiel als sinnlich in eine niedrigere Kategorie und wurde in aller Regel als Zugeständnis an den von vorneherein für schlecht erklärten Publikumsgeschmack abgewertet. Diese Äußerungen bestimmen bis heute die Sicht. Tatsächlich spielten aber alle Truppen, auch die genannten, denen man die Pflege des sog. Regeltheaters zuschreibt, Stücke, die keineswegs diesem folgen. Wie labil die Situation war, zeigt spätestens der kometenhafte Aufstieg des Singspiels nach 1770.

    Es versteht sich, dass für eine Beurteilung auch die Repertoires anderer Schauspielgesellschaften als der oben genannten untersucht werden müssen, ebenso wie die Verhältnisse in Wien und Paris.


    The project examines the role of music in German theatre 1759-1771. It is based on the Gotha playbill collection, which has not attracted attention for the last more than 100 years. The playbills represent the activity of several troupes (Koch, Ackermann, Seyler) as well as the Hamburg National Theatre. Present day knowledge of 18th-century incidental music before the Goethe period is extremely poor. Basically, only three works are known, all from the time of the Hamburg Entreprise. The project wants to get information about music by examining the repertoire, which is revealed by the theatre programmes. Insights can be gained through secondary texts (stage instructions) and song interludes. In rare cases, the playbills themselves also offer clues. Extremely helpful is the theatre library of the Hamburg Stadttheater kept in the Hamburg SUB. It contains play texts but also sheet music. It is my intention to consider all performances, i.e. not only the plays, but also the supplements, which have not been considered at all so far. This will open completely new perspectives, also for Hamburg's National Theatre. Up to now, Lessing's theoretical reflections on the effects of music and his description of a composition for a tragedy were the only facts to deal with. To know more about the music actually heard in all its diversity puts these reflections in a different light. It also reveals the great influence of the French stage with its vaudeville final and its opéra comique. The project also aims to shed light on the practical conditions: the actors' ability to sing, the casting, the conditions of the orchestra, the appearance of musicians from outside the company. Around the middle of the century, contemporaries (as still research does today) focused solely on the art of the word and its acting. Music, as sensual, fell into a lower category. The declared aim of the theatre reformers, however, was to raise morality. Thus, music becomes an indicator when comparing its importance in the period before the professionalization of acting with its role around 1750. However, this is true only for Germany, as the different conditions at Paris and Vienna prove. The project wants to emphasize this socio-historical aspect.